Sieben Fragen an Dr. Bahner

Ein fiktives Interview

Herr Bahner, Sie sehen ganz entspannt aus. Wie schaffen Sie das?

Oh - darauf war ich nicht gefasst. Danke! Ich stehe gerne früh auf und fange schon mal an zu arbeiten. Am frühen Morgen kommen mir die besten Ideen. Vielleicht liegt es daran.

Sie sind Freiberufler. Was versteht man darunter?

Nach der offiziellen Definition ist ein Freiberufler einer, der nicht angestellt ist, sondern selbstständig arbeitet und dabei seine berufliche Ausbildung in voller Breite nutzt, wie z.B. ein Arzt, eine Hebamme oder ein Rechtsanwalt. Ich bin Agraringenieur und Volkswirt und kann das in ganzer Breite nutzen, von Physik und Bodenkunde angefangen über Agrargeschichte, Agrarsoziologie und landwirtschaftliche Produktionstechnik bis hin zur betriebswirtschaftlichen Beratung und volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Aber Gott sei Dank habe ich auf etlichen Höfen mitgearbeitet und liebe auch die praktische Arbeit.

Was verbirgt sich hinter Ihrem Doktortitel?

Ein "rer. pol.", also ein Doktor der Volkswirtschaft. Nach meinem Studium der Landwirtschaft und einigen Jahren Arbeit auf einem Hof und in der Naturschutzberatung hatten sich mir so viele Fragen ergeben, dass ich noch mal in die Wissenschaft wollte. Ich wollte diesen ewigen Konflikt zwischen Bauern und Naturschützern besser verstehen und eine neue Lösung dafür finden.

Und ob man es glaubt oder nicht, in der Institutionenökonomik, einem speziellen Bereich der ökonomischen Theorie, habe ich tatsächlich eine Lösung gefunden. Aus der ist dann später mein Buch "Bürgernetze statt Subventionen" entstanden, das genau zur Jahrtausendwende erschienen ist. Das versuche ich seitdem in meiner beruflichen Praxis umzusetzen.

Wie sind Sie eigentlich auf dieses berufliche Lebensthema gekommen, was hat Sie geprägt?

Ich komme ja selber nicht vom Hof, sondern bin in Heidelberg in einer Medizinerfamilie aufgewachsen. Es hat mich als Jugendlichen sehr beschäftigt, warum die Menschen mit der Erde so umgehen, als hätten sie noch eine zweite im Kofferraum. Ich fühlte eine große Liebe zu den wilden Tieren und Pflanzen. Das trägt mich bis heute.

Ich habe mich dann der Landwirtschaft zugewandt, weil hier mit den Tieren und Pflanzen umgegangen wird, und mich dann folgerichtig um die Betriebs- und Volkswirtschaft gekümmert, weil die darüber entscheidet, wie die Bauern wirtschaften. Um irgendetwas ändern zu können, musste ich das verstehen.

Dann gibt es noch ein zweites Thema, das mich begeleitet, das sind die Grenzen und Unterschiede zwischen verschiedenen Kulturen. In der Begegnung mit der fremden Kultur entsteht etwas Neues, Verständigung, eine Brücke. Aber auch mich selber kann ich darin besser verstehen, auch meine eigenen Grenzen. "Man muss in der Fremde leben", das habe ich mal mit Mitte 20 in mein Tagebuch geschrieben. In meinen Lehr- und Wanderjahren habe ich in Frankreich Straßenmusik gemacht, habe in Afrika und Amerika gelebt und mich dann mit Anfang 30 hier in Norddeutschland niedergelassen. Und nun ist es so etwas wie Heimat geworden.

Ein Stadtkind probiert das Landleben?

Na ja, nach gut 20 Jahren weiß man dann schon, wie es geht. Ich kann das Wendland nur empfehlen. Ein guter Platz, um vier Kinder groß zu ziehen. Die Elbe vor der Haustür, Rotmilan, Kranich, Seeadler, der Weißstorch. Und eine bunte Gemeinschaft der unterschiedlichsten Menschen, mit denen sich das wunderbar leben lässt.

Auf der anderen Seite eine dieser typischen ländlichen Regionen, wo die jungen Leute wegziehen, Häuser und Höfe frei werden, und Leute aus den Städten die Lücken füllen und es mit dem Landleben versuchen. Die Franzosen haben dafür ein eigenes Wort, "neo-ruraux", Neu-Landbewohner.

Aus meiner Arbeit im europäischen Netzwerk Forum Synergies weiß ich, dass das überall in Europa, sogar in den östlichen Ländern, so läuft. Die neuen Landbewohner treffen auf die Alteingesessenen, Alternative auf Normalos, Stadtgesellschaft auf Bauern. Das gibt Spannungen, aber es kann auch eine Qualität von Respekt und Verständigung entstehen, die man für sich allein nicht entwickeln würde. Wieder das Thema des Fremden, der Grenze. Und oft sind es die Stadtbewohner, die neue Ideen und Impulse aufs Land bringen.

Zufällig ist das Wendland auch eine uralte Grenzregion, schon im Mittelalter verlief hier die Grenze zwischen Sachsen und Wenden, also Germanen und Slawen, später die zwischen Hannover und Preußen, dann die Zonengrenze, heute eine immer noch merkbare Ossi-Wessi-Grenze. Ein Labor für eine bessere Zukunft also.

Zurück zur Arbeit. Wenn Sie zurückdenken - können Sie uns drei Projekte nennen, die Ihnen besonders am Herzen lagen?

Nun ja, Projekte, die einem am Herzen liegen, sind ja nicht immer die wirtschaftlich bedeutendsten. Da steckt oft auch viel ehrenamtliche Arbeit drin.

Als erstes fällt mir der Feldlilienpfad in Govelin ein - dieses einzigartige Vorkommen der Feuerlilie auf den Äckern von Landwirt Harry Bergmann bei Hitzacker. Das zu begleiten, mit einem Lehrpfad für die Öffentlichkeit zu erschließen, und dann auch Fördermittel für die alljährlichen Lilientage zu organisieren, das hat Spaß gemacht.

Als nächstes würde ich das europäische Netzwerk Forum Synergies nennen, das ich mehrere Jahre lang koordiniert habe. Unterwegs zu sein zwischen Estland und Spanien, zwischen Frankreich und Griechenland, Workshops zu organisieren, auf Englisch, auf Französisch, und dabei diese brillianten Leute kennen zu lernen, die sich in den unterschiedlichsten Ländern um ökologische und nachhaltige ländliche Entwicklung bemühen - das hat auch meinen Bezug zu Europa, zur europäischen Familie geprägt.

Und dann natürlich mein jüngstes "Baby", die Kulturland-Genossenschaft. Da komme ich ein Stück weit zurück zum Anfang, zu den Wurzeln mit dieser neuen Trägerorganisation, mit der wir landwirtschaftliche Flächen für regional eingebundene Biobetriebe ankaufen und in Gemeinschaftseigentum überführen, in "Neue Allmende". Das Projekt ist ein bisschen die Quintessenz aus den Erfahrungen vieler verschiedener Projekte aus den vergangenen zwei Jahrzehnten und weist für mich weit in die Zukunft.

Apropos Zukunft - eine letzte Frage: Viele Leute sehen Katastrophen auf uns zukommen, im Finanzsystem, im Weltklima, mit Kriegen und Diktaturen. Wie sehen Sie die Zukunft?

Es stimmt, es passieren heftige Dinge, und es werden weiter heftige Dinge passieren, gerade in den von Ihnen angesprochenen Bereichen. Aber es ist auch klar, wir leben in einer Zeit des Wandels. Im Untergrund verändern sich fundamentale Dinge. Die Menschen befreien sich aus der Fremdbestimmung, organisieren sich in der Zivilgesellschaft und nehmen ihr Schicksal in die Hand, und damit auch ihre Verantwortung für Natur, Frieden, Menschenrechte. Niemand kann das aufhalten.

Meine innere Uhrzeit ist sozusagen fünf nach zwölf. Die Katastrophe liegt schon hinter uns. Jetzt geht es darum, etwas Neues aufzubauen, neue Strukturen. Die alte Welt sorgt für sich selbst. Aber die neue entsteht nur durch unser Zutun.

Herzlichen Dank für das Gespräch.